Was ermöglicht es mir, immer wieder meine Komfortzone zu verlassen?
Beim Thema Trampen musste ich ganz viel über meine Komfortzone nachdenken. Und darüber, was es mir ermöglicht hat, doch immer wieder schrittweise darüber hinauszugehen. Mittlerweile erlebe ich, dass Dinge, die mich früher viel Mut gekostet hätten, auf einmal wie von alleine gehen.
Was bedeutet Komfortzone?
Die Komfortzone wird als der Bereich beschrieben, in dem wir Menschen uns wohlfühlen, (scheinbar) alles unter Kontrolle haben und wenig Angst und Stress befürchten müssen. Außerhalb der Komfortzone hingegen gibt es keine subjektive Sicherheit, dafür passieren hier die Abenteuer. Daher hören wir häufig den Aufruf: Verlass deine Komfortzone!
Die eigene Komfortzone zu verlassen ist aber ein großer Schritt und aufgrund der negativen Gefühle, die er auslöst, gar nicht so einfach. Daher halte ich es für sinnvoller, kleine Schritte zu machen, auszuprobieren, immer wieder zu spüren „wie fühlt sich das an?“ und so langsam meine Komfortzone zu erweitern.
Vielleicht hilft dir für den Anfang ein kleines Experiment zum Mitmachen von Tobi:
Diese Fragen stelle ich mir, wenn ich ans Verlassen meiner Komfortzone denke
Ist es wirklich gefährlich?
Ich denke rational darüber nach, ob etwas wirklich gefährlich ist, oder eben nicht. Zum Beispiel ist mitten in der Fußgängerzone tanzen nicht gefährlich, aber trotzdem für die meisten von uns nicht innerhalb in unserer Komfortzone. Wenn du dir unsicher bist, ob etwas wirklich gefährlich ist, oder es einfach nur in deinem Kopf gefährlich ist, nimm dir ruhig Zeit und recherchiere und lese Erfahrungsberichte.
Der andere Fall hingegen: Mit meinen zugedröhnten „Freunden“ mit 200km/h nachts im getunten Auto auf der Autobahn fahren hat nichts mit dem Verlassen meiner Komfortzone zu tun: das ist einfach nur gefährlich und ich habe jeden Grund dazu, Angst zu haben.
Wie geht es mir dabei?
Ich spüre, welche Gefühle bei mir gerade an der Oberfläche sind. Ist es Aufregung, leichte Angst, Nervosität, Herzklopfen, Unwohlsein oder ähnliches, kann das ein Anzeichen sein, dass es nun daran geht, meine Komfortzone ein wenig zu überschreiten.
Versuche diese Gefühle nicht beiseite zu schieben, sondern zu akzeptieren, dass es dich jetzt etwas Mut kostet, etwas Neues auszuprobieren.
Der andere Fall hingegen: Spüre ich Panik, große Angst, Hilflosigkeit oder Ausgeliefert sein, ist das wahrscheinlich ein Schritt zu weit hinaus aus der Komfortzone. Oder aber, ich habe es mit einer echten Gefahr zu tun.
Vertraue auf dein Gefühl und akzeptiere, dass vielleicht gerade jetzt der Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, genau hier hin zu gehen. Vielleicht überlegst du stattdessen, welche kleinen Schritte du gehen kannst.
Wir haben oft Angst vor negativen Gefühlen. Dabei sind sie nur ein Anzeiger, dass bestimmte Bedürfnisse unerfüllt sind. Anstatt diese da sein zu lassen, tun wir alles, um gegen sie anzugehen.
Es lohnt sich aber, das Herzklopfen zu spüren und zu genießen und dann einen Schritt weiter zu gehen als sonst.
Das Ziel im Leben ist es, all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen. Was auch immer sich uns offenbart, es ist das Leben, das sich darin zeigt, und es ist immer ein Geschenk, sich damit zu verbinden.
Marshall Rosenberg – Begründer der Gewaltfreien Kommunikation
Sind es meine eigenen Gründe, weswegen ich meine Komfortzone erweitern will?
Will ich das überhaupt?
Ich denke darüber nach, ob ich diesen Schritt überhaupt gehen will und wenn ja, wieso. Was erhoffe ich mir dadurch, dass ich trampe oder etwas anderes mache, das meine Komfortzone überschreitet? Gibt es Grund zur Annahme, dass diese Hoffnungen realistisch sind?
Achtung: Zu viel darüber nachenken kann auch dazu führen, dass sich deine Gedanken im Kreis drehen und du am Ende gar nichts mehr machst 😉
Der andere Fall hingegen: Manchmal wollen wir etwas nur, weil wir uns die Geschichte erzählen: Ich muss dieses oder jenes tun, damit ich zu dieser oder jener Gruppe dazu gehöre; oder damit ich etwas wert bin; oder damit meine Eltern stolz auf mich sind.
Ich lade dich ein, immer wieder zu hinterfragen, ob du etwas tun willst, weil es von dir kommt, oder weil es von außen kommt.
Komfortzone erweitern am Beispiel Trampen
Erster Schritt: Ich frage für meinen nächsten Ausflug eine Person auf einem Mitfahr-Portal, die viele gute Bewertungen hat und nett aussieht. Das mache ich ein paarmal, bis es für mich nichts besonderes mehr ist.
Zweiter Schritt: Ich frage eine junge Frau direkt am Bahnhof, ob sie mich 10km weit mitnehmen kann. Das funktioniert 2-3mal wunderbar.
Dritter Schritt: Ich stelle mich an die Straße und halte den Daumen raus. Nach wie vor ist die Stecke nicht weit. Das funktioniert 10+ mal wunderbar, sowohl bei Tag als auch bei Nacht.
Vierter Schritt: Jetzt versuche ich eine weitere Strecke innerhalb Deutschlands zu trampen. Das hat bis jetzt zweimal funktioniert.
Die nächsten Schritte könnten dann sein: Ich festige meine Inlands-Tramp-Erfahrungen, indem ich das noch ein paarmal mache. Dann könnte der nächste Schritt sein, ins Ausland zu trampen. Oder mal 1000km weit. Oder noch weiter.
Ähnlich kann es funktionieren mit „ehrlich meine Meinung sagen“, „interessante Menschen ansprechen“, „ohne Auto unterwegs sein“, „ohne eigene Wohnung leben“, und so weiter!
Wo beginnt und endet deine Komfortzone? Was erleichtert dir, Schritte darüber hinaus zu machen?
Ein weiterer Grund in der Komfortzone zu bleiben ist auch Bequemlichkeit und Gewohnheit, bei dem Gewohnten weiß man was passiert, während das Ungewohnte potentiell jede Menge Umstände, zusätzliche Arbeit und Fettnäpfchen mit sich bringen kann. Da spielen zwar auch viele Befürchtungen mit, zähl ich aber eher zur Bequemlichkeit weil vornherein klar ist daß das keine echten Gefahren sind und es auch keinen Mut braucht sich solchen Herausforderungen zu stellen.
Weitere Gründe die Komfortzone überhaupt zu verlassen wären auch: Neue Dinge lernen? Erfahrungen sammeln? Etwas Nützliches für sich oder die Allgemeinheit tun? Dinge hinter sich bringen (und wozu)?
„ohne eigene Wohnung leben“ wäre für mich z.B. kein erstrebenswerter Versuch da die Nachteile für mich deutlich stärker zählen als das etwas mehr an Ungebundenheit; „ohne Auto unterwegs sein“ ist für mich die Regel da es sich nur dann lohnt einen Wagen zu leihen wenn was sperriges transportiert werden will. Sähe in einer Gegend ohne gute Infrastruktur aber sicher anders aus.
„interessante Menschen ansprechen“ ist so eine Sache, wenn mich irgendwo unerwartet „interessante“ Leute ansprechen endet das meist recht schnell damit daß ich mir Gedanken mache wie ich sie wieder loswerde. Anders sieht es aus wenn es einen passenden Rahmen gibt, gemeinsame Interessen, ein bestimmtes Ereignis etc. – aber dann ist man ohnehin schon in derselben Komfortzone. Da ist es eher sinnvoller zu überlegen wie man es für Andere leichter macht sich in derselben Komfortzone zu treffen: Was zu Zeichnen oder Handarbeiten funktionieren da ziemlich gut, oder auch mit nem Hund Gassi zu gehen.
Und „ehrlich meine Meinung sagen“ ist im Prinzip einfach, akzeptieren die meisten Leute aber nur solange sie mit ihrer eigenen Meinung halbwegs zusammenpaßt. Läßt sich somit meist nur fein dosiert anwenden wenn man nicht in irgendeiner Schublade landen will. Bringt ja nix seine Meinung zu sagen wenn sie nicht auch ankommt.
Interessant ist auch wie eng die Komfortzone oftmals ausfällt:
-Kaffee zuhause vorbereiten oder mit Pulver/Bohnen aufbrühen statt „ToGo“ oder aus der Kapselmaschine (Aufwand! Ist der dann überhaupt frisch? Und huch, man muß mehr mitdenken!)
-Tüte beim Einkauf weglassen, bzw. generell Verpackung reduzieren (in verschiedenen Stufen)
-neues Essen ausprobieren (könnte eklig sein!) oder ohne Anleitung und Fertigprodukt kochen (macht bestimmt mehr Arbeit, könnte schiefgehen und schmeckt das überhaupt noch?)
-mal andere Klamotten etc. ausprobieren (wenn mans wie immer kauft mach man nix falsch!)
-unbekannte Leute um einfache Dinge (Weg, Ort, Zeit, sonstige Ratschläge,…) fragen (kann ich selber so gar nicht nachfühlen; Schüchternheit, die Befürchtung sich als uninformiert/ortsfremd/unvorbereitet zu erkennen zu geben, oder einfach nur die Befürchtung anderen damit lästig zu sein wird wohl dahinterstecken)
-Erste Hllfe in Notsituationen zu leisten, vor allem wenn es viele andere Umstehende gibt (wenn man das nicht geübt ist halt eine völlig unvorbereitete Stressituation, dazu die Angst was falsch zu machen)
-ohne Begleitung ein Konzert/Kino/Veranstaltung/… zu besuchen (kann ich nachvollziehen, dann sollte man aber auch so ehrlich sein sich einzugestehen daß das gemeinsame Erleben als wichtiger Teil dazugehört. Wenne s wirklich abhält kann der eigentliche Anlaß dann aber nicht sooo spannend gewesen sein…)
-längere Zeit kein Netz (Internet, Phon, Strom, Wassr,…) zu haben (kaum zu glauben daß unsere Vorfahren so überleben konnten!)
-generell mehr über Hintergründe informieren (macht Aufwand und am Ende will mans besser gar nicht so genau wissen)
Das Ganze schrittweise anzugehen ist schon der beste Ansatz die eigene Komfortzone auszuweiten, was auch sinnvoll ist:
Sich Gedanken zu machen was man macht wenn es tatsächlich schiefgeht.
Beim Trampen (oder generell beim Reisen abseits der gewohnten Komfortzone, d.h. ohne PKW oder vororganisierte Planung) z.B. überlegen wo man bei Bedarf auf andere Verkehrsmittel umsteigen kann, ob es ggf. jemand gibt bei dem man übernachten kann, oder (je nach Komfortbedürfnis und Zeitplan) Kompaktzelt oder genug Kleingeld für Taxi und ggf. Übernachtung mitnehmen.
Wenn der Aufwand abschreckt: Bequeme Lösung als Plan B bereithalten, was nicht geschafft zu haben ist keine Schande, immer noch besser als es erst gar nicht versucht zu haben
Unschöne Reaktionen anderer: Sich klarmachen daß man nix unsinniges macht, dann kann man auch souverän atworten. Oder gleich drüber hinwegsehen, in den allerwenigsten Fällen ist das ein wirklicher Beinbruch.
Und falls es langweilig werden könnte: Passenden Zeitvertreib mitnehmen (wobei da neuerdings meist kein Mangel mehr herrscht, eher im Gegenteil…)
Wie immer: vielen Dank für deinen durchdachten und sinnig ergänzenden Kommentar 🙂
Hallo liebe Sabrina,
ich finden deinen Beitrag wirklich super. Sehr informativ und mehrwertig. Es ist schon nicht so einfach mit diesem Thema, aber wenn man erst einmal einen Schritt, raus aus der Komfortzone, gewagt hat, erkennt man die Masse an Vorteilen. Am Anfang ist es schmerzhaft, aber danach der Wahnsinn. Wie gesagt: Danke, für diesen super geschriebenen Beitrag! LG Christin