Buchcover How to be Great at Doing Good - Effektiver Altruismus

„How to be Great at Doing Good“ – effektiv Gutes tun

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Rezension und kritische Gedanken zum Effektiven Altruismus

„How to be Great at Doing Good“ (deutsch: Wie ich großartig im Gutes tun sein kann) ist das zweite Buch [1]Das andere Buch, das ich von Nick Cooney gelesen habe, ist „Change of Heart: What Psychology can teach us about spreading social change“ und ich empfehle es zu 100% weiter -> Link zu … Continue reading von Nick Cooney, das ich lese. Nick Cooney ist stellvertretender Vorsitzender von Mercy for Animals, einer US-amerikanischen Tierrechtsorganisation, und schreibt über die Themen: Effektiver Altruismus und Aktivismus. Das Buch ist derzeit nur auf englisch erhältlich. Deswegen werde ich die (für mich) wichtigsten Informationen zusammenfassen, damit auch deutschsprachige Leser*innen etwas davon haben. Außerdem will ich das ganze weiter unten auch kritisch betrachten.

Was ist effektiver Altruismus?

Altruismus ist das Gegenteil von Egoismus, bedeutet also so viel wie „Uneigennützigkeit“. Effektiv sein heißt wirkungsvoll sein. Effektiver Altruismus heißt also: Gutes zu tun – und zwar so, dass unterm Strich möglichst viele Leben gerettet, Leid erspart oder Wohlbefinden gefördert wird.

Anstatt also davon auszugehen, dass es schon gut genug ist, dass ich überhaupt etwas Gutes tue, versuche ich dabei auch möglichst wirkungsvoll zu sein. Das kann beispielsweise so aussehen, dass ich für meine Spende diejenige Organisation wähle, die mit meinem Geld am meisten bewirkt.

Effektiv spenden

Laut Nick Cooney geben US-Amerikaner*innen sehr wenig Zeit und Geld für wohltätige Zwecke (engl. charity) aus: 3% des Jahreseinkommens und 15 Stunden ehrenamtliche Arbeit im Jahr. Diese Zeit bzw. dieser Betrag sollte daher so viel Gutes bewirken wie möglich. Gutes bewirken heißt für ihn: möglichst viel Leid mindern und Wohlbefinden steigern.

Das Buch fokussiert sich stark auf den Bereich Spenden. Wenn jemand spendet, dann sollte diese Person so spenden, dass sie damit das meiste für den guten Zweck rausholt. Dabei ist die Annahme folgende: Alle Leben sind gleichwertig. Auch wenn mir ein einzelnes Kind, dem ich in der Nachbarschaft helfen kann, emotional näher ist, ist es wirksamer, mehreren Kindern in ärmeren Ländern zu helfen. Hier bewirkt mein Betrag meist viel mehr.

Cooney argumentiert stark mit dem Vergleich der Wirtschaft. Wenn wir etwas kaufen, versuchen wir auch möglichst viel für unser Geld zu bekommen. Beim Spenden hingegen achten wir oft nicht so sehr darauf, wie viel meine Spende bewirkt. Es geht eher darum, sich einfach nur gut zu fühlen.

Was uns daran hindert effektiv zu sein

Egal, ob es darum geht zu spenden oder ehrenamtlich aktiv zu werden: Unser Unterbewusstsein hält einige Stolpersteine für uns bereit. Wir sind voreingenommen, ohne dass es uns wirklich bewusst ist. Beispielsweise interessieren wir uns mehr für Menschen, die uns ähnlich sind. Typisch dafür sind Menschen, die sich dem Kampf gegen Brustkrebs, Aids und Co. verschrieben haben. Das sind sehr oft Menschen, deren Familienmitglieder von diesen Krankheiten betroffen sind. Auch fühlen wir uns Haustieren näher als sogenannten Nutztieren und haben mehr Mitgefühl mit ihnen. Insgesamt wird für Tiere deutlich weniger gespendet, denn sie sind uns noch ferner als Menschen anderer Schichten, mit anderer Hautfarbe oder aus anderen Ländern.

Wenn wir einen Spendenaufruf sehen, der uns anspricht und wir gerade das Geld übrig haben, wird unser Belohnungssystem im Gehirn angesprochen. Wir fühlen uns gut dabei, zu spenden – je näher wir uns der Person oder den Personen fühlen, für die wir spenden, desto besser fühlen wir uns.

Laut Cooney stehen uns unsere eigenen Gefühle aber dabei im Weg, besonders wirksam Gutes zu tun. Wir neigen dazu, dem Gewohnten Vorrang vor dem Neuen zu geben. Wenn wir also bereits Mitglied einer wohltätigen Organisation sind, neigen wir dazu, bei dieser zu bleiben. Selbst dann, wenn wir herausfinden, dass eine andere Organisation deutlich effektiver arbeitet. Genauso bevorzugen wir Organisationen, bei denen viele Menschen Mitglied sind. Dabei ist es egal, ob diese besonders wirkungsvoll sind oder nicht.

Wenn wir mit unserem Geld und unserer Zeit wirklich das meiste für eine bessere Welt rausholen wollen, müssen wir uns selbst überlisten. Wir sollten dabei weniger auf unsere Gefühle, als auf unseren Verstand hören.

Effektive Kampagnen und Aktionen durchführen

Wenn wir als Aktivist*innen wissen wollen, wie wir die meisten Menschen mit unserem Thema erreichen können, sind wir auf Vermutungen angewiesen. Anstatt so zu tun, als wüssten wir bereits Bescheid, was am meisten bewirkt, sollten wir auf vergleichende Tests setzen. Denn wir können einfach nicht wissen, ob Kampagnenidee A mehr Menschen überzeugt als Kampagnenidee B – außer wir hätten beide ausprobiert.

Cooney schlägt vor, die verschiedenen Varianten zu testen. Nach einiger Zeit sollte dann Kontakt mit den Tester*innen aufgenommen werden, um abzufragen, wie die Wirkung war. So könnte genau gemessen werden, welche Kampagnenidee mehr bewirkt hat. Und dieses Mehr an Wirkung kann so bedeutend sein, dass selbst große Mengen Geld und Zeit für das Testing gerechtfertigt sind.

Kritik zum Buch

Das Buch liest sich schnell und ist einfach geschrieben. Es ist voll mit Beispielen, die sicher einiges verdeutlichen, aber so überbordend verwendet werden, dass es mich an einigen Stellen genervt hat. Cooney versucht das Thema sehr einfach zu erklären. Dabei wiederholt er sich oft, sowohl in seiner Argumentation, als auch in seinen Beschreibungen. Das Buch hat nur 176 Seiten, aber der Inhalt hätte sicher ohne Probleme auch auf die Hälfte der Seiten gepasst.

Ich empfehle das Buch nur, wenn das Thema für dich wirklich völlig neu ist oder wenn in dir nach meiner Beschreibung noch viele Fragezeichen sind. Die Beispiele im Buch können dir sicher vieles verdeutlichen, was ich nur angerissen habe.

Kritik zum Inhalt

Ich habe versucht, die Punkte des Buchs zusammenzufassen, die mich am meisten angesprochen haben. Bei einigen Punkten habe ich eine andere Meinung. Cooney spricht an vielen Stellen – so vermute ich – von Menschen, die wirklich nur einen kleinen Teil ihrer Zeit und ihres Geldes für wohltätige Zwecke verwenden. In dem Fall bin ich völlig einverstanden, dass es Sinn macht, beides möglichst effektiv einzusetzen.

Aber was, wenn ich den größten Teil meines Lebens mit wohltätiger Arbeit verbringe? Sollte ich dann wirklich genau dort arbeiten, wo ich am meisten bewirken kann, selbst wenn es mich unglücklich macht? Sollte ich mich immer mehr antreiben, möglichst effektiv Gutes zu tun, wie Cooney es beschreibt, bis ich nach einem Burn-Out gar nichts mehr tun kann?

Oder sollte ich nicht eher versuchen, das, was mich glücklich macht mit dem zu verbinden, was gut für die Welt ist? So beschreibt es die Psychologin Nathalie Marcinkowski in ihrem Blogartikel: Die beste Glücksstrategie, die diese Welt je gesehen hat: Win-Win-Win-Entscheidungen. Auch dafür ist es natürlich wichtig, zu wissen, was wie effektiv ist.

Einen Schritt weiter gedacht: Gesellschaftlicher Wandel

Keinen Platz in dem Büchlein hatte leider auch der Aspekt des gesellschaftlichen Wandels. Ganz klar benannt wurde, dass es effektiver ist, politische Arbeit für die Verbesserung von Tierhaltungsbedingungen zu leisten als Gnadenhöfe und Tierheime zu unterstützen. Aber wäre es nicht noch effektiver, einen Wandel auf gesellschaftlicher Ebene anzustoßen?

Indem wir eine Welt erschaffen, in der Menschen freiwillig und gerne füreinander und für ihre Mitwelt sorgen, ohne Konkurrenz und Leistungsdruck. Indem wir eine Welt erschaffen, die Menschen ihre Freiheit lässt und in der wir darauf vertrauen können, dass durch diese Freiheit Raum für Mitgefühl und Freude am Beitragen erwacht.

Weiterführende Links

Stiftung für Effektiven Altruismus
Effektiver Altruismus ausführlicher erklärt

GiveWell
englischsprachige Seite, die auflistet, welche Menschenrechtsorganisationen am effektivsten sind

Animal Charity Evaluators
englischsprachige Seite, die auflistet, welche Tierrechtsorganisationen am effektivsten sind

Und du? Hat dich das Thema neugierig gemacht? Oder löst der Effektivitätsgedanke eher Ablehnung in dir aus? Ich finde das Thema bietet viel Reibungsfläche und freue mich über eine angeregte Diskussion!

Fußnoten

Fußnoten
1 Das andere Buch, das ich von Nick Cooney gelesen habe, ist „Change of Heart: What Psychology can teach us about spreading social change“ und ich empfehle es zu 100% weiter -> Link zu goodreads

2 Meinungen zu “„How to be Great at Doing Good“ – effektiv Gutes tun

  1. Hallo liebe Sabrina! Ich habe jetzt endlich mal die Zeit, meine Kommentare zu deinem Artikel abzugeben – ich hoffe, dass sie hilfreich sein werden.
    Als Hintergrund: ich würde mich selber nicht unbedingt als Effektiven Altruisten (EA) bezeichnen, vor allem nicht, wenn es dabei um bestimmte Organisationen geht. Ich finde aber die Idee, unsere Ressourcen möglichst gut einzusetzen, sehr sinnvoll, und habe in der Unterhaltung mit EAs (vor allem auf der EAG Global Konferenz) viele interessante Anreize mitbekommen. Ich werde erst versuchen, ein paar deiner Fragen aufzugreifen, und dann meinen eigenen Senf dazugeben 😉
    Lies am besten gleich diese Version (https://ronjalustig.wordpress.com/2017/01/30/deutsch-effektiver-altruismus-auf-den-zweiten-blick/), weil sie schöner ist und auch die Links dazu hat!

    1.) „Aber was, wenn ich den größten Teil meines Lebens mit wohltätiger Arbeit verbringe? Sollte ich dann wirklich genau dort arbeiten, wo ich am meisten bewirken kann, selbst wenn es mich unglücklich macht?“
    Ich kenne keinen EA, die/der denken würde, dass ein Burn-Out irgendwem hilft! Speziell wenn es darum geht, den Großteil deiner Zeit wohltätig zu sein, ist 80.000 hours wirklich hilfreich. Was sie „personal fit“ nennen, ist teilweise eine Antwort auf deine Frage: Wenn man nicht glücklich in seinem Job ist, ist man wahrscheinlich nicht so gut wie man woanders sein könnte – die ganze Kunst besteht also darin, die Beschäftigung zu finden, in der der eigene Charakter am meisten erreichen kann. (Mehr dazu auch hier, wo es explizit darum geht, sich erst mal um sich selber zu kümmern, bevor man anderen helfen kann).
    Dass das Thema auch in der „EA Community“ viel diskutiert wird, kann man zum Beispiel in diesem Artikel sehen.

    2.) „Aber wäre es nicht noch effektiver, einen Wandel auf gesellschaftlicher Ebene anzustoßen?“
    EAs diskutieren viel über gesellschaftlichen Wandel, gerade weil es so eine spannende Frage ist und potenziell viel effektiver sein könnte als Geld zu geben. Ein paar Punkte, die ich aus Gesprächen mitgenommen habe, ist, dass es hilfreich ist, genau zu definieren, was man mit gesellschaftlichem Wandel meint – zum Beispiel, ob es darum geht, die Ansichten von Leuten zu ändern, oder vielleicht gleich den ganzen Kapitalismus abzuschaffen. Ich habe mich noch nicht genügend mit dem Thema beschäftigt (kommt hoffentlich noch!)
    Wie man es bei so einer bedachten Bewegung erwarten kann, gibt es viele verschiedene Antworten auf deine Frage! Viele EAs versuchen momentan, genau das herauszufinden. Eine Liste kannst du in diesem Artikel („Effective altruists love systemic change“) finden.
    Allerdings habe ich auch ein Gegenargument („Beware systemic change“)
    Der Artikel ist etwas Arbeit zum Durchlesen, deswegen unten ein paar Ausschnitte,
    Die generelle Idee scheint zu sein, dass wir potenziell mehr Schaden anrichten, wenn wir nach „systemic change“ rufen, und dass „man vs. nature“ (also zum Beispiel Kranheiten bekämpfen) sicherer ist, als „man vs. man“ Konflikte anzufangen. Auch hier finde ich es wohl hilfreich, im Hinterkopf zu behalten, worum es uns bei „systemic change“ geht (ich habe so das Gefühl, dass das bei dir anders aussehen könnte als bei ihm – würde mich über eine Erklärung freuen!)
    „Highly educated people used to studying science might just be more likely to fall for the streetlight effect and go with the side that promises more quantifiability, rather than the side more likely to be right.“
    „A quick run through the history books shows that smart people trying to effect systemic change have an imperfect track record. I won’t say that they’re unusually bad compared to other demographics, but certainly nothing as stellar as the “let’s just not be morons” theory might lead one to expect.“
    „There are many more ways to break systems than to improve them.“
    „if everyone gave 10% of their income to effective charity, it would be more than enough to end world poverty, cure several major diseases, and start a cultural and scientific renaissance. If everyone became very interested in systemic change, we would probably have a civil war.“

    3.) Ein letzter Punkt, der mir besonders am Herzen liegt! Erst als ich auf der EA-Konferenz war, hatte ich das Gefühl, den Anreiz der Bewegung zu verstehen. So lange mir spezielle Antworten präsentiert wurden (zB „Spende Organisation X“), fand ich das nicht besonders spannend, und ich hatte immer ein bisschen das Gefühl, dass damit auf mich herabgesehen wird („Sobald du erstmal wirklich rational bist, wirst du das auch sehen“). Dann, als ich EAs wirklich kennen gelernt habe, hat sich mein Bild verändert – ich habe gesehen, dass sich EAs in vielen verschiedenen Bereichen engagieren und neugierig und offen auf meine Bedenken reagiert haben. Ich habe sogar auch dazu eine tolle Zusammenfassung gefunden, und zwar den Artikel „Effektiver Altruismus als Frage, nicht als Antwort“. Damit bin ich voll und ganz einverstanden, genau wie mit der Grundauffassung, die ich bei allen EAs angefunden habe. Ich formuliere das als „Deinen Verstand benutzen, um (so viel wie möglich) Gutes zu tun“. Es ist zu erwarten, dass spezielle Moralprinzipien unterschiedlich aussehen, und zum Beispiel dass wir unterschiedliche Prioritäten haben (zum Beispiel denke ich nicht, dass ich plötzlich nur noch nach Afrika spenden und nicht in der eigenen Gemeinde oder an mir selber arbeiten sollte).
    Ich glaube, das war erst mal genug 😉
    Bis bald!

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