Meine persönlichen Erfahrungen mit Veränderung
Manchmal ist es ganz einfach, eine Gewohnheit zu ändern, manchmal scheint es unmöglich. Ich bin auf einem Forschungsweg darüber, wie Veränderung passiert, wann sie gelingt und wann nicht und sehe mich dabei sowohl als Forschungsobjekt als auch als Forscherin. Heute will ich daher meine eigenen Gewohnheiten unter die Lupe nehmen und herausfinden, unter welchen Umständen es mir in meinem Leben bislang geglückt ist, Gewohnheiten zu ändern, und wann nicht.
Folgende Gewohnheiten habe ich im Laufe meines Lebens verändert
- Omnivore Ernährung → Vegetarische Ernährung
- Vegetarische Ernährung → Vegane Ernährung
- Hauptsächlich Auto fahren → hauptsächlich Fahrrad und Öffis fahren
- Hauptsächlich neu kaufen → hauptsächlich gebraucht oder gar nicht kaufen
- Keinen Sport machen → regelmäßig Sport machen
Für alle hatte ich einen sehr starken Anreiz. Bei keinem außer dem Sport-Thema hatte ich jemals den Gedanken: „Ich sollte daran etwas ändern.“
Meine erste große Veränderung kam, als ich 15 war und Vegetarierin wurde. Ich liebte Tiere, wir hatten eine Katze und Kaninchen und Meerschweinchen und ich bin gerne geritten. Als ich das erste Mal richtig verstand, dass Fleisch aus toten Tieren besteht, hat es für mich nicht mehr zusammengepasst, Tiere zu lieben und Tiere zu essen. Die Veränderung an der Stelle kam aus einer intrinsischen Motivation heraus. Das Bedürfnis dahinter scheint mir heute Integrität, das Zusammenpassen von Wort und Tat, zu sein. Und ich vermute, dass auch soziale Gründe eine Rolle gespielt haben. Da ich als Schülerin der festen Überzeugung war, dass ich sowieso anders als alle anderen war, hatte ich nicht den Wunsch mich anzupassen, sondern im Gegenteil, mich abzugrenzen. Das mag es leichter gemacht haben, eine Gewohnheit zu ändern, was sonst niemand in meinem Umfeld gemacht hat, außer zwei meiner Cousinen, die allerdings 2h entfernt wohnten.
12 Jahre später folgte die logische Weiterentwicklung, als mir klar wurde, dass jegliche tierischen Produkte mit Tierleid verknüpft sind. Nach einer Phase, wo ich tierische Produkte nur noch in Bioqualität kaufte und versuchte, ab und zu vegan zu essen, folgte die Erkenntnis, dass ich keinem Menschen, der in irgendeiner Form Profit im Sinn hat, vertrauen kann, wenn es um Tierwohl geht. Seitdem lebe ich komplett vegan. Auch hier war der ausschlaggebende Faktor meine Identität als Tierfreundin und das Nicht-mehr-zusammenpassen von dem, was mich ausmacht, und meinem Handeln, also Integrität. Und auch hier lag eine intrinsische Motivation vor.
Meine Identität als umweltbewusster Mensch
Mit meiner Identität als Veganerin entstand bzw. verstärkte sich parallel eine Identität als umweltbewusster Mensch. Und ich fing an, mich auch mit diesen Themen mehr zu beschäftigen. Unterstützt hat das ein neuer Bekanntenkreis veganer und umweltfreundlicher Menschen und, dass ich von außen als umweltbewusster Mensch wahrgenommen wurde und nun auch einen Blog zum Thema Nachhaltigkeit hatte. Es war für mich gar nicht möglich, das eine zu schreiben und das andere zu tun.
Also tat ich, was ich schrieb und schrieb, was ich tat. Ich denke, das hat mich auch dabei unterstützt, meine Gewohnheiten zu ändern.
Als ich aber angefangen habe, mit dem Zug, statt mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, war noch ein anderer Faktor entscheidend: es war aufgrund der äußeren Umstände viel angenehmer für mich mit dem Zug zu fahren, als mit dem Auto. Und als ich meine späteren Experimente „Ohne Auto auf dem Land“ machte und es wirklich schwierig wurde, öffentliche Verkehrsmittel für den Arbeitsweg zu nutzen, war bereits die Saat der Gewohnheit aufgegangen und vor allem meine Identität als umweltbewusster Mensch gesetzt.
Gesundheit als Motivator
Erst Anfang letzten Jahres bekam meine Gesundheit auch mehr Priorität in meinem Leben. Mir wurde meine Gesundheit und körperliches Wohlbefinden ein spürbar wichtiger Wert. Antrieb dafür waren jahrelange Steißbein-Schmerzen, die mein gesundheitliches Wohlbefinden deutlich beeinträchtigten. Ich verstand, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man gesund ist. Was auch neu war, war ein „mir selbst wichtig sein„, das mich motiviert hat, Sport zu machen.
Diese Gewohnheit zu ändern, war insgesamt nicht so einfach und es hing sehr von meiner Befindlichkeit ab, wie gut es gelang, Sport in mein Leben zu integrieren. Unterstützt hat mich eine Facebook-Gruppe, die sich gegenseitig zu einem gesünderen Lebensstil motiviert. Erschwert hat mir, dass ich keine festen Tagesabläufe hatte und mich deswegen jedes Mal neu motivieren musste, anstatt dass ich automatisch handelte.
Wirkliche Erleichterung hat mir daher meine neue Arbeitsstelle ab Juni gebracht, durch die ich an meinen drei Arbeitstagen immer je eine halbe Stunde Radfahren hin und zurück inklusive hatte. Damit bin ich gerade einigermaßen zufrieden, möchte aber eigentlich auch an den anderen Tagen mehr Bewegung haben. Da gibt es aber immer wieder einen Teil in mir, der sich fragt, ob das wirklich nötig ist. So 100%ig hat sich das also noch nicht etabliert.
Allen Veränderungen meiner Gewohnheiten gemeinsam ist die spürbare Verbindung mit dem Bedürfnis, aus dem heraus mein Veränderungswunsch entsteht. Einmal ist es die Integrität – also das Leben der eigenen Werte – und einmal die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden. Und das Handeln aus dem eigenen Bedürfnis heraus bedeutet, dass eine intrinsische Motivation vorliegt.
Diese Gewohnheiten habe ich immer noch nicht geändert
Schauen wir nun auf die Gewohnheiten, die mir schon seit Jahren schwer fallen, zu verändern:
- Ordnung halten
- Selbstorganisation
- Reduktion von Ersatzhandlungen wie Romane lesen und Serien schauen
Was mir sofort auffällt ist, dass ich bei all diesen Dingen ein großes „Ich sollte…“ im Kopf haben, anstatt ein „Ich will…“. Und dass neben dieser „Ich sollte“-Stimme auch noch eine anderen anklopft, die sagt: „Aber so wichtig ist das doch nicht.“
Man kann da jetzt leicht verstehen: Man muss es nur wirklich wollen, dann klappt das auch. NEIN! Denn mit reiner Willenskraft hat das wirksame und nachhaltige Verändern von Gewohnheiten wenig zu tun.
Warum es so schwer ist, Gewohnheiten zu ändern
Wenn wir Gewohnheiten ändern möchten, es aber trotz größter Willensanstrengung nicht schaffen, liegt das oft daran: Wir sind uns innerlich uneins. Es gibt einen Anteil in uns, der gerne etwas verändern möchte. Und es gibt einen anderen Anteil in uns, der genau das nicht möchte und alles tut um es zu verhindern. So kommt es, dass wir uns viele gute Vorsätze machen und dann in den Situationen, wo es drauf ankommt, ganz anders handeln.
Mein Beispiel: Aufräumen statt Lesen
Ich habe ein aktuelles Beispiel von mir. Ich lese gerne Fantasy und Science Fiction. Manchmal lese ich das wirklich gerne und ohne schlechtes Gewissen. Manchmal lese ich aber auch einen halben oder ganzen Tag und fühle mich dabei selbst gar nicht mehr und hinterher bin ich sehr schlecht auf mich zu sprechen. Denn andere Dinge, die mir wichtig waren, sind zu kurz gekommen.
Was ich gerade verändern möchte ist, dass ich, bevor ich automatisch ein Buch zur Hand nehme, prüfe, ob das wirklich das Beste ist, was ich gerade für mich tun kann. Und mich dann entweder bewusst dafür entscheide, zu lesen oder etwas anderes mache, was mehr meiner aktuellen Bedürfnislage entspricht.
Was ist der erste Schritt? Eigentlich ist es das Beobachten. In welchen Situationen passiert der Automatismus? Kann ich den Moment, an dem die Entscheidung getroffen wird, wahrnehmen? Was passiert in diesem Moment in mir?
Mir ist aufgefallen, dass in dem Moment, wo ich zum Buch greife, das wie vorprogrammiert abläuft. Es scheinen in dem Moment gar keine anderen Optionen möglich. Die Vorsätze, die mir zu einem anderen Zeitpunkt wirklich wichtig waren, sind wie weggewischt. Ich kann gar nicht auf sie zugreifen.
In entspannten Momenten und mit Unterstützung kann ich mir das dann im Rückblick ansehen. Welche Gedanken gingen mir in dieser Situation in den Kopf, wie fühlte ich mich dabei und welche Bedürfnisse sind im Spiel? Und hier kommen die zwei Anteile, die zwei Herzen, die in meiner Brust schlagen, ins Spiel. Der Anteil, der unbedingt lesen möchte, geht für Ruhe, Erholung, Abwechslung, Sicherheit, Leichtigkeit, Autonomie, Wärme. Das ist ein ziemlich trotziger Anteil, habe ich gemerkt, der sich gar nicht gerne reinreden lässt.
Umso schwerer dann in dem Moment, wo es darauf ankommt, überhaupt den anderen Anteil zu Wort kommen zu lassen. Dem Anteil, der gerne eine bewusste Entscheidung treffen möchte und weiß, dass ich hinterher nicht glücklich sein werde, wenn ich den ganzen Tag nur gelesen habe. Dem geht es auch um Autonomie, um Selbstfürsorge, um Selbstbestimmung und um Ganzheit.
In dem Moment, wo ich es in der Situation schaffe, auch mit diesem Anteil in Verbindung zu kommen, kann ich wieder eine bewusste Entscheidung treffen. Vorher nicht.
Oft ist es so, dass eine Gewohnheit, die so stark in uns verankert ist, uns früher einmal sehr nützlich war. Das gilt es anzuerkennen.
Unterstützung: Gemeinschaft und Rituale
Aus meiner Sicht ist ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse zu bekommen, die Basis für nachhaltige und gesunde Gewohnheitsveränderungen. Damit einher geht: Verständnis und Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln.
Es gibt aber auch einige Dinge, die von außen unterstützen können. Und zwar absolut nicht unwesentlich! Ein sehr großer Faktor ist Gemeinschaft. Mit meinem Sport-Thema bin ich in einer kleinen Facebook-Gruppe und es motiviert mich merklich, wenn ich mitbekomme, wie andere darüber schreiben, wenn sie Sport machen, oder auch teilen, wenn es mal nicht gut läuft. Wie viel stärker wirkt erst Gemeinschaft, wenn sie im echten Leben stattfindet!
Ein anderer Faktor ist Regelmäßigkeit und Rituale. Wenn ich etwas immer zur selben Zeit oder auf die gleiche Weise mache, dann kostet es weniger Energie, mich jedes Mal neu dafür zu entscheiden. Das ist absolut nicht zu unterschätzen. Ich denke nicht mehr darüber nach, ob ich mit dem Auto oder dem Rad in die Stadt fahre, ich fahre automatisch mit dem Rad – außer das Wetter ist ganz eklig, dann erwäge ich die Öffentlichen.
Wie ist es bei dir mit den Gewohnheiten? Was hilft dir dabei, Gewohnheiten zu ändern? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich, oder ganz andere?
Weiterführende Links:
Ein sehr authentischer Beitrag, den ich gerne gelesen habe und mit dem ich mich auch gut identifizieren kann. Viele innere Ja’s sind in mir aufgetaucht. Für mich ist besonders daran die Wärme, Wertschätzung, sprich der liebevolle und achtsame Umgang mit dir selbst. Vielen Dank für diese Seite.
Liebe Norma, vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar <3