Joggen im Autoreifen

Gleichmäßig kommen die Füße in raschen Abständen auf dem Asphalt auf. Der Atem geht schnell; die Arme bewegen sich im Takt der Schritte nach vorn und hinten. Und links und rechts sausen Bäume, Laternen und Autos vorbei: Das ist die fabelhafte Welt des Joggers.
Doch halt – ist diese Welt tatsächlich so fabelhaft? Oder lauert nicht hinter jeder Weggabelung das schmerzende Knie oder der überdehnte Fuß? In seinem Buch Born to Run hat sich Christopher McDougall auf die Suche begeben: nach der idealen Art zu laufen.

McDougall beschreibt darin seine Bemühungen herauszufinden, woran es liegt, dass Jogger – wie er selbst – so häufig Beschwerden haben, obwohl sie der wohl natürlichsten Sportart der Welt nachgehen. Seine Nachforschungen führen ihn nach Mexiko, zu den Tarahumara: ein Volk, das für seine ausdauernden Langstreckenläufer bekannt ist. Diese tragen keine Turnschuhe, sondern laufen auf dünnen Sandalen. Und damit sind sie nicht nur ausdauernd, sondern auch schnell. McDougall lud zu einem Wettrennen zwischen den Tarahumara und den weltbesten Ultralangstreckenläufern ein, unter anderem Scott Jurek und dem überzeugten Barfußläufer Barefoot Ted.
Arnulfo, einer der Tarahumara, gewann das Rennen.

Eine Studie der University of Virginia zeigt mittlerweile, dass Laufschuhe den Gelenken schaden. Beim Test auf dem Laufband stellte sich heraus, dass Hüft-, Knie- und Fußgelenke beim Joggen in Schuhen deutlich mehr belastet werden, als beim Joggen barfuß.
Auch ein Blickwinkel auf die Evolution zeigt: unser Körper ist auf Barfußlaufen ausgelegt. Nur einen winzigen Augenblick in der Menschheitsgeschichte tragen wir Schuhe mit Absätzen und dicken Sohlen. Dass sich unser Körper daran noch nicht angepasst hat, ist kein Wunder. Unser Laufstil hat sich aber angepasst. Dadurch, dass die Absätze den Aufprall dämpfen, sind wir zu Fersenläufern geworden. Ziehen Sie mal die Schuhe aus und joggen ein paar Schritte durch’s Wohnzimmer. Merken Sie was? Intuitiv treten wir mit dem Fußballen zuerst auf, wenn wir barfuß laufen. Dadurch lässt sich der Schritt leichter von den Gelenken abfedern. Treten Sie nun mal bewusst mit der Ferse auf. Gar nicht so angenehm, oder? Das Fersenbein ist eben nur ein Knochen, da federt erstmal gar nichts. Allein das Schuhwerk dämpft den Stoß, der darauf lastet. Aber das – laut Studie – leider nicht genug.1 (Infos von Orthopäde Dr. Thomas Schneider)

Seitdem diese Tatsachen bekannt sind, haben die Anbieter von sogenannter „Minimal Footwear“ einen Aufschwung erlebt: Schuhe, die so minimalistisch sind, dass sie beinahe ein Barfuß-Erlebnis bieten. Dazu gehören unter anderem FiveFingers, Zehenschuhe mit dünnen Sohlen, und Huaraches: so heißen die Sandalen der Tarahumara. Huaraches kann man auch selbst herstellen: entweder indem man sich einen Do-it-yourself-Kit bestellt oder einen alten Autoreifen zerschneidet.

Mir gefiel die Idee, aus alten Autoreifen Sandalen herzustellen besonders, da so die Reifen noch einem Zweck dienen und nicht in der Müllverbrennungsanlage landen. Folgendes Tutorial-Video habe ich mir daher angesehen:

Making Huaraches – Part 1: Cutting (modern) tires

Nach einiger Mühsal stellte sich heraus, dass die Reifen, die ich hatte, zu klein sind und sich aus dem seitlichen Gummi keine Sohle machen lässt, die groß genug für Erwachsenenfüße sind. Der Gummi, auf dem der Reifen fährt, ist mit Stahl verstärkt, so dass das Tapeziermesser kein durchkommen findet. Außerdem ist der Reifen an der Stelle viel zu dick, so dass das Barfuß-Erlebnis gleich Null ist. Ein neuer alter Reifen musste her. Die Fahrt zum Wertstoffhof stand schon auf der Todo-Liste, da spielte mir das Schicksal ein Paar alte Ballerinas aka Turnschläppchen aka Gymnastikschuhe zu. Ihr wisst schon: die Schuhe, die man als Kind vor 20 Jahren im Sportunterricht tragen musste. Die Sohle ist so dünn, dass man kaum einen Unterschied zum barfuß laufen spürt, außer diesen: Steinchen und Ästchen stecken die Ballerinas leichter weg als die bloßen Füße. Wie lange sie halten, weiß ich noch nicht. Falls sich abzeichnet, dass sie auseinander fallen, kann ich die Sohlen immer noch mit Latex verstärken. Bis jetzt halten sie das, was ich mir von ihnen verspreche.
Irgendwann werde ich auch noch Huaraches aus alten Reifen basteln. Bis dahin erstmal noch ein spannendes Video zum Thema „Autoreifen Recyclen“:

Alten Reifen auf der Spur

1 Vorsicht ist geboten, wenn man vom Fersenlauf auf den Vorderfußlauf umstellen will. Knochen, Gelenke und Sehnen passen sich langsamer an als Muskeln und brauchen entsprechend Zeit, sich auf die neue Art zu Laufen einzustellen. Von daher: langsam anfangen, sonst haben Fuß, Sprunggelenk und Achillessehne keine Chance nachzukommen.

5 Meinungen zu “Joggen im Autoreifen

  1. Ein Problem für uns Männer: es gibt nur sehr, sehr wenige leichte Schuhe mit dünnen, flexiblen Sohlen. Und die, die es gibt, sind vorne meist zu schmal und haben keinen Platz für die Zehen.

    Rieker hat immer mal wieder welche, die in die richtige Richung gehen würden – wenn sie nicht immer nach einem halben Jahr auseinanderfielen.
    🙁

    Wer da Tipps hat: gerne!

    1. Am einfachsten und billigsten: einfach barfuß gehen. *grins*
      Aber dafür könnte unsere businesswelt noch nicht weit genug sein …

      Gute erfahrungsberichte habe ich vom „Sole Runner“ gehört:
      http://www.sole-runner.com/
      Allerdings selbst noch nicht anprobiert. Ist wohl ein brauchbarer kompromiss für alle, die professionell (bzw. „sportlich-elegant“) auftreten wollen/müssen, aber in regulären Herrenschuhen zu viel kriegen.
      Für sandalenträger bietet sich „Teva Zilch“ an, leicht und wasserfest, aber deutlich tragetauglicher als flipflops. Allerdings muss wie immer bei sandalen die richtige riemenstellung herausgefunden werden (ausprobieren).

    2. Vivobarefoot bietet super Barfußschuhe für Freizeit, Beruf und Sport, die auch nach was aussehen. Hier ein Link für einen 10%-Rabatt Gutschein (auch auf Sale-Produkte!): http://www.ichnatur.de/produkt/barfussschuhe-von-vivobarefoot/

      Sole-Runner kann ich sehr empfehlen. Die dünnsten Sohlen, die es am Markt gibt. Super Laufgefühl! Leider sind die Sohlen schnell durch und neu besohlen ist äußerst beschwerlich. Nach einem halben Jahr (nicht sportlich genutzt!) waren sie jedes Mal durch. Trotzdem kaufe ich sie gerne. 😉 Bessere Alternative, fast genauso dünn: Vivobarefoot (die dünnen Sohlen!!! Da gibt es Unterschiede).

      Die Fivefingers habe ich probiert und direkt retourniert. Wie damit jemand klarkommt, kann ich nicht verstehen. Ich hatte das Gefühl, dass man mir jeden Zeh einzeln auseinander zieht. Außerdem sind die Schuhe nicht für individuellere oder bereits geschädigte Fußformen ausgerichtet.

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